Fragen aus der Heimat

“Wie war deine erste Begegnung mit den Kindern des Heims? Wie haben sie auf dich reagiert und du auf sie?“

Meine erste Begegnung mit den Kindern des Heims war an meinem zweiten Tag in Kirgistan. Unsere Vorfreiwilligen mussten leider vor unserer Ankunft abreisen, sodass wir sie nicht mehr kennen lernen konnten. Glücklicherweise war während unserer ersten Tage im Land eine ehemalige Freiwillige zu Besuch, die uns dann die Stadt und auch das Heim zeigen konnte.

In den Augen vieler Kinder waren wir bei unserer ersten kleinen Führung durch das Heim glaube ich nur ein paar Leute, die halt im Gebäude rumgelaufen sind und denen man keine große Beachtung schenken muss. Ein paar Kinder kamen auf uns zu und wollten wissen, wer wir sind und waren dann sehr schnell dabei uns die Englischkenntnisse, die sie hatten zu präsentieren. Ich erinnere mich, dass ich sehr aufgeregt war, während dieses ersten Besuches, aber auch sehr erleichtert, weil klar wurde, dass die Sprachbarriere zwar da war, aber nicht unmöglich zu überwinden.

Die ersten Wochen waren einfach aber doch schwierig. Viele der älteren Kinder waren – teilweise bis vor einem Monat noch – mir und meiner Mitfreiwilligen gegenüber sehr reserviert und verschlossen. Die ganz kleinen, d.h. die zwei- bis sechsjährigen haben mir ehrlicher Weise ein wenig Angst eingejagt und mich ein wenig überfordert. Sie waren sehr kontaktfreudig. Einerseits wollten gefühlte zehn Kleinkinder gleichzeitig, dass man sie auf den Arm nimmt, und andererseits haben weitere fünf versucht mich auf die Palme zu treiben und auf negative Art und Weise zum Beispiel durch schlagen meine Aufmerksamkeit zu erlangen.

Die „mittleren Kinder“, d.h. diejenigen, die im Grundschulalter sind und mit denen wir die meiste Zeit verbringen, waren größtenteils offen uns gegenüber, haben gleichzeitig aber auch versucht unsere Grenzen auszutesten und uns dazu zu bringen, genau das zu tun, das zu spielen, was sie genau jetzt in diesem Moment von uns wollen.

Unsere erste Begegnung und die ersten Wochen waren so zwar sehr positiv und es hat unglaublich viel Spaß gemacht, alle kennen zu lernen, aber es hat definitiv seine Zeit gedauert, eine wirkliche Beziehung und Vertrauen aufzubauen. Es gab dabei natürlich von Kind zu Kind und von Altersgruppe zu Altersgruppe andereHerausforderungen und Barrieren zu überwinden.

„Inwiefern hat sich die Begegnung verändert? Wie ist es, wenn du heute ins Kinderheim kommst? Reagieren sie jetzt anders auf dich und reagierst du jetzt anders auf sie?“

Wenn ich heute ins Heim komme, dann werde ich teilweise schon draußen mit Klopfen ans oder Rufen aus dem Fenster des Jungs Zimmers, welches den Eingang überblickt, begrüßt. Die Mitarbeiter und die älteren Kinder grüßen mich und spätesten im Treppenhaus umarmt mich das erste Grundschulkind. Selbst die Allerkleinsten wissen inzwischen meinen Namen, und können meine Mitfreiwillige und mich inzwischen auseinanderhalten.

Einer der sechzehnjährigen Jungen hat angefangen uns mit einem für uns reservierten Handschlag zu begrüßen und selbst die jugendlichen Mädchen begrüßen uns seit Anfang des Monats. Bis wir mit zwei von ihnen den Weihnachtsmarkt der deutschen Botschaft besucht haben, waren gerade diese noch sehr reserviert uns Freiwilligen gegenüber.

Ich freue mich inzwischen genauso sehr alle Kids zu sehen, wie sich viele von ihnen freuen, mich zu sehen. Ich weiß genau, an welcher Stelle ich „Nein“ sagen muss und an welcher ich problemlos nachgeben kann. Die Kinder respektieren mich einerseits weitaus mehr als Autoritätsperson als am Anfang, nennen mich andererseits auch inzwischen ihre Freundin und öffnen sich mir gegenüber, wenn sie Probleme haben, oder vertrauen mir an, wenn sie verliebt sind.

Ich bin jeden Tag wieder überrascht und dankbar über die Beziehung, die Verbindung und das Vertrauen, die die Kinder des Heims und ich inzwischen miteinander haben.

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