Meine Zeit in Kirgistan und damit auch meine Arbeit im Zentr reabilitazii detei i molodjoshi neigt sich dem Ende zu.
Ich habe eine feste Rolle, einen festen Platz. Der Arbeitsalltag ist komfortabel. Meine Verbindung und Beziehung zu den kleinen und großen Individuen, mit denen ich zusammenarbeite ist mehr als gut. Die Einsetzstelle ist zentraler Dreh- und Angelpunkt meines Freiwilligendienstes und meine Arbeit dort hat mich geprägt und sich im Laufe des vergangenen Jahres konstant weiterentwickelt.
Über meine Tätigkeiten im Zentr reabilitazii detei i molodjoshi und wie meine ersten Wochen dort verliefen kann man in einem meiner früheren Blogeinträge nachlesen, aber insgesamt sehe ich meine Rolle in der Einsatzstelle wie folgt: Ich bin für eine gelenkte Freizeitbetreuung zuständig. Obwohl Betreuer da sind, fehlt die Zeit, einer Zweitklässlerin beim Lesenüben zuzuhören oder mit einem Drittklässler erneut eine nichtverstandene Mathematikaufgabe durchzurechnen. Raum zum Basteln, Spielen von Brettspielen und Springseilspringen zu geben, gehört genauso zu meinen Aufgaben, wie auf die Handvoll von Kindern und Jugendlichen, die mit dem Wunsch Englisch oder Deutsch zu lernen auf mich zukommen, einzugehen und sie dabei zu unterstützen. Mehr Details gibt es auch in meinem Eintrag „Fragen aus der Heimat“.
Wenn ich zurückdenke, merke ich, dass ich mit Situationen anders umgehe als noch vor 10 oder 11 Monaten. Ich schaffe es, besser zu koordinieren, wenn ich mit einer großen oder kleinen Gruppe von Kindern zusammenarbeite, und eventuelle Probleme beziehungsweise Reibungspunkte im Vorhinein zu erkennen und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Ich kann besser einschätzen, was welches Kind braucht und wie die einzelnen Individuen auf zum Beispiel ein „Nein, heute nicht.“ reagieren.
Vor allem die Verständigung war anfangs eine Herausforderung. Trotz der Sprachbarriere gelang es mir zwar relativ schnell eine Beziehung zu vielen der Kindern aufzubauen, aber mit der Sprache kam auch das Vertrauen und eine Leichtigkeit, die mit Händen und Füßen und lediglich Bruchstücken Russisch oft gefehlt hat. Mit jedem Wort Russisch, das dazu gelernt wurde, funktionierte die Verständigung nicht besser, denn gut war sie von Anfang an, sondern schneller und flüssiger.
Die Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen im Zentrum zeigt mir außerdem immer wieder, welchen Wert Zuverlässigkeit und verantwortungsvolles Verhalten haben. Kindern ist es egal, wie intelligent oder lustig oder sportlich man ist, solange man kontinuierlich da ist und Versprechen, betreffen sie auch nur so etwas Banales wie Hausaufgabenhilfe, hält. Es braucht eine Weile bis Vertrauen darin besteht, dass die Aussage: „Heute ist zum Tuschen keine Zeit mehr, wir machen das morgen Vormittag.“ wirklich bedeutet, dass am nächsten Morgen die Wassermalfarben herausgeholt werden.
Eine positive Entwicklung, die ebenfalls mit der Sprache entstand ist, dass der Umgang mit den Erzieherinnen und Erziehern des Heimes weitaus vertrauter wurde. In den ersten Monaten hieß die Sprachbarriere, dass man sich zwar lächelnd begrüßte, aber es nicht möglich war mehr zu tun, als aneinander vorbeizuarbeiten. Inzwischen unterhalte ich mich regelmäßig mit den Mitarbeitern. Ich weiß von den meisten, wie lange sie schon im Heim arbeiten, ob sie Kinder haben und zu welchem ihrer Schützlinge die Beziehung besonders gut ist. Obwohl unsere Arbeit an sich dennoch gleichgeblieben ist und die Zuständigkeitsbereiche weiter wie vorher klar definiert sind, macht jede Unterhaltung die Atmosphäre im Heim ein bisschen sonniger.
Mein Ziel für die letzten Wochen meines Freiwilligendienstes ist es, den Alltag hier in Bischkek in vollen Zügen auszukosten. Ich will versuchen, möglichst viel Zeit im Heim zu verbringen und noch ein paar letzte Bastel- und Malaktionen zu starten und gemeinsam mit „meinen“ Kindern das Sommerwetter zu genießen. Zugegebener Weise tue ich mich schwer damit, mich schon so bald verabschieden zu müssen. Allerdings hat jeder Freiwilligendienst ein Ende und das Zurückkommen gehört genauso dazu wie das Ankommen und alles dazwischen. Ich weiß, dass ich viel gelernt habe in diesem Jahr und auch in den letzten Wochen noch versuchen will so viel wie möglich zu lernen und mitzunehmen.